Wie ich einmal sehr mutig war Vorlesen

14. Mai 2021Christiane Krause
Hund, Bild von PicsbyFran

Wie ich einmal sehr mutig war
und Cleo ins Wasser geschmissen habe

Cleo ist der Hund von meiner Oma. Ein liebes Hündchen, sagt Oma. Und alle lieben Cleo. Aber ich kann sie nicht leiden. Wir besuchen Oma oft. Wir, das sind meine Eltern, meine Schwester, mein Bruder und ich. Wenn wir ankommen, rennt Cleo auf uns zu. Sie springt an mir hoch und bellt und bellt. Ich hasse das. Ich verstecke mich ganz hinten, aber Cleo findet mich.

Als ich noch ganz klein war, hat Cleo das auch schon gemacht. Sie hat mich sogar umgeworfen, obwohl sie doch nur so ein kleines Hündchen ist.

„Wer wird denn vor so einem kleinen harmlosen Hündchen Angst haben“, sagt meine Oma und alle lachen und Cleo bellt, nur ich nicht. Ich meine, ich lache nicht. Bellen tu ich natürlich auch nicht.

Wenn wir spazieren gehen, muss Cleo an der Leine laufen. Meine Schwester und mein Bruder streiten darüber, wer Cleo an der Leine halten darf. Aber ich streite nicht. Ich will die Leine gar nicht halten. Ich gehe immer möglichst weit weg von Cleo. Das ist schwierig, weil die Leine so eine lange Leine ist, die immer länger wird. Und Cleo rennt dann hinter mir her und bellt und wenn ich wegrenne, rennen meine Geschwister mit Cleo an der Leine hinter mir her.

Cleo will wohl am liebsten ohne Leine laufen, aber Oma hat Angst, dass sie sich schmutzig macht.

Ich will viel lieber ohne Cleo spazieren gehen, dann muss ich nicht dauernd gucken, wo sie ist und ob sie hinter mir her ist.

Einmal war meine Oma krank und meine Eltern haben uns zu ihr geschickt. Wir sollten Cleo abholen und mit ihr spazieren gehen. Ich wollte nicht mit, aber meine Eltern mussten beide weg und ich durfte nicht allein zu Hause bleiben. Also haben wir drei Cleo abgeholt und sind los. Ich immer möglichst weit weg und meine Schwester mit Cleo an der Leine hinter mir her.

Wir sind am Flüsschen entlanggegangen und Cleo hat immer nach meinen Füßen geschnappt.

„Lass das“, hab ich meine Schwester angeschrien. „Halt den blöden Hund zurück!“ Und ich bin auf die Brücke gerannt.

„Du hast Angst vor Cleo. Du hast Angst vor Cleo“, hat mein blöder Bruder gesungen. Und dann hat er zu meiner Schwester gesagt: „Lass Cleo doch mal laufen.“

Und tatsächlich hat meine Schwester sich gebückt und hat die Leine losgehakt. Sie ist so blöd, sie macht immer alles, was mein Bruder sagt.

Und da kam Cleo sofort auf mich zugeschossen und bellte. Und ich hatte Angst und war aber auch total wütend auf meinen Bruder. Und dann sprang Cleo an mir hoch und da habe ich sie hochgehoben und über das Geländer ins Wasser geworfen. Und war total erschrocken. Und hatte sofort ein schlechtes Gewissen. Ich habe mich über das Geländer gebeugt und Cleo gesucht.

Und ihr glaubt das nicht: Cleo paddelte und paddelte im Wasser mit hechelnder Zunge. Sie konnte so gut schwimmen, als hätte sie das immer schon gemacht.

Und dann kam sie ans Ufer und schüttelte sich. Wassertropfen flogen nach allen Seiten. Ich bin zu ihr gerannt. Ich war so froh, dass ihr nichts passiert war. Und da leckte sie meine Hand und wedelte mit dem Schwanz. Ich glaube, das hat ihr richtig Spaß gemacht, das Schwimmen.

Sie kam ganz nass nach Hause. Oma war natürlich total erschrocken, aber mein Bruder hat gesagt: „Cleo hat sich losgerissen und ist von allein ins Wasser gesprungen.“

Cleo rennt immer noch hinter mir her, wenn wir spazieren gehen. Bestimmt hofft sie, dass ich sie nochmal ins Wasser werfe. Aber ich habe nicht mehr soviel Angst. Ich weiß ja jetzt, dass ich genauso stark bin wie sie.

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