Ein kalter Wintertag Vorlesen

13. Jan 2023Mary Winkens
Ein Bauernhof mit einem Huhn. Bild von Anja auf Pixabay.

Heute ist ein kalter, regnerischer Wintertag. Außerdem weht draußen ein ziemlich ungemütlicher Ostwind.

Eigentlich würde ich lieber länger bei den Tieren sein. Doch es ist kalt. Es ist nass. Es ist ungemütlich. Bei diesem kalten, ekeligen Regen ist es nur eine lästige Pflicht. Bei trockenem und sonnigem Wetter macht es Spaß. Diese trockenen Wintertage verführen dazu, sich öfter und länger draußen aufzuhalten. Dann kann ich mich nach meiner Arbeit auf ein Bank setzen. Die Bänke stehen genau vor den Tiergehegen. Da kann ich in Ruhe den Tieren zugucken. Und mit ihnen reden.

In einem Geflügelgehege wohnt Anton. Ich sehe ihn gerne an. Anton ist der wunderschöne dicke Bauernhofhahn.

Ich frage ihn: «Anton, alles gut?»

Er wuselt ständig um seine Hennen herum.

Er antwortet: «Ja klar, bleib draußen!»

Ich mag Anton, obwohl – er mag mich nicht. Ich muss aber rein. Ich muss nachsehen, ob Eier im Nest liegen. Ich beobachte Anton. Er sieht freundlich aus.

Ich öffne die Tür. Anton schreit mich an: «Bleib draußen!»

«Anton, beruhige dich. Ich will nur kurz rein.»

«Das ist mir egal, du sollst draußen bleiben. Ich warne dich!»

Tja, und dann passiert es. Anton guckt böse. Und schon springt er mir in die Beine. Ich hatte einen Besen mitgenommen. Den zeige ich Anton und sage: «Mach dich weg, benimm dich.»

Anton weicht zurück. Er schaut aus der Hecke. Er beobachtet mich. Ich muss immer noch aufpassen. Denn Anton meint tatsächlich, er ist ein Kampfhahn. Und ganz ehrlich? Er ist ein Kampfhahn!

Ich gebe den Hühnchen die Körner. Und schon wieder kommt Anton unfreundlich näher. Ich versuche, ihn zu beruhigen. «Lieber kleiner Anton. Hallo mein Schöner.» Doch das interessiert ihn nicht. Ich gehe rückwärts. Dann kann ich ihn besser sehen. Und schon springt er wieder.

«Auwa, du tust mir weh, du dummes Tier.»

Ich habe nicht aufgepasst. Ich bin ausgerutscht. Und nun sitze ich auf dem Hosenboden. Mitten im Matsch. Ich glaube Anton grinst. Und richtig, ich höre ihn flüstern: «Dumm gelaufen, oder?»

Ja, es ist dumm gelaufen. Für mich. Doch wer Tiere hat, muss auch mit deren Eigenarten leben.

Ich habe mich umgezogen. Nun sitze ich in einem gemütlichen Sessel. Ich schaue in das flackernde Kaminfeuer. Meine Gedanken wandern zu den Tieren. Und wie von selbst kommen die Bilder. Ich sehe vor meinem inneren Auge ein ganzes Jahr vorbeilaufen. Mit Tieren, mit Menschen, mit Blumen, Bäumen und Sträuchern.

Die meisten wissen nicht, dass Tiere sich oft wie Menschen verhalten. Wir sind im Winter viel drinnen. Wir langweilen uns. Die Tiere auch. So ist das Füttern eine willkommene Abwechslung, in dem langweiligen Tagesablauf.

Gerade bei den Hühnern merkt man das besonders. Im Sommer genießen sie das Leben außerhalb des Stalls. Sie liegen mit abgespreizten Flügeln und Beinen faul in der Sonne. Sie pudern sich im Staubbad genüsslich ein. Das ist wie bei uns das Duschen.

An sonnigen Wintertagen kann man das auch beobachten. Allerdings muss der Boden richtig trocken sein, am besten staubtrocken. Also warte ich gemeinsam mit all den verschiedenen Tieren auf das Frühjahr.

Gerade jetzt, vor dem wärmenden Kaminfeuer, denke ich an das kommende Frühjahr. Ach es ist herrlich, die ersten warmen Sonnenstrahlen im Gesicht zu spüren. Ich liebe diese Zeit, wenn die Natur wieder erwacht. Viele halten mich für ein bisschen verrückt, wenn ich im Februar/März vom Vorfrühling spreche. Doch das ist meine Art, das Erwachen der Natur ganz genau zu beobachten.

Ich freue mich über die großen Flatschen von Schneeglöckchen. Ich genieße regelrecht das bunte Feld der Krokusse. Zufriedenheit überkommt mich beim Anblick von Tulpen, Narzissen und anderen Frühlingsboten. Überhaupt, ich bin voller Freude über jeden Farbfleck, der mehr als einen Tag hier auf dem Hof überlebt.

Ich sehe die Fragezeichen in den Gesichtern? Mehr als einen Tag überlebt? Wieso, weshalb, warum? Blumen und Pflanzen haben doch eine ziemlich lange Lebensdauer! Ja natürlich, würde es dann unsere Esel nicht geben. Diese kleinen Halunken mit ihren langen Ohren beobachten alles. Wirklich alles. Die sehen oft mehr als ich.

Sie schauen dem Gras beim Wachsen zu. Sie sehen natürlich jede kleine Spitze aus dem Boden herauskommen. Manche Dinge sind für sie nicht interessant genug. Sie überleben ohne Schaden. Leider gehören Krokusse und die schönen blauen Hyazinthen zu den Sachen, die für Esel lecker sind. Uff, ich könnte schreien, wenn ich herausschaue und die Farbflecken sind weg.

Ich habe schon vieles ausprobiert. Ich möchte einfach etwas länger Freude an den Frühlingsboten haben. Doch die Herren Esel tricksen mich Jahr für Jahr aus.

Doch nicht nur Esel sind solche Gauner. Die Hühnchen werden im Frühjahr zu richtigen Akrobaten. Sie haben natürlich im Laufe der Jahre alle Bäume und Sträucher in Hühnerhöhe kahl gefressen. So sind sie, die Hühner. Die machen auch Unsinn aus Langeweile. Doch, kahl bleibt kahl. Im Frühjahr, wenn Rosensträucher oder Forsythien die ersten Blätter und Blüten zeigen, springen die Hühner so hoch sie können. Und wenn dann ein Hühnchen eine leckere Knospe erwischt hat? Oh weh, dann rennt sie, so schnell sie kann, vor den anderen weg. Denn die anderen Hühner, wollen ihr diese Beute abnehmen und selbst essen. Wer mag da noch an Langeweile denken?

Im Winter gibt es wenig Grünfutter. Manchmal gar kein frisches Futter für die Tiere. Die Hühner picken aus lauter Verzweiflung die Brennnesseln auf. Es ist kaum zu glauben, es sieht aus, als schmeckt es ihnen. Im Sommer wird dieses Essen verachtet, denn Brennnesseln gibt es von März bis November im Überfluss.

Im späteren Frühjahr schmücke ich unsere Birke mit bunten Bändern. Darüber freuen sich auch die Pferde. Jedes Mal, wenn sie am Baum vorbeigehen, zupfen sie mit ihren Mäulern an den Bändern. Ich glaube, sie lachen heimlich über mich. Denn wenn sie ein Band im Maul haben, verziehen sie das Gesicht.

Die dicken gemütlichen Kaltblutpferde sind bestimmt froh, wenn sie wieder im vollen Galopp über die Wiesen laufen können. Im Winter ist das zu gefährlich. Der Boden ist weich und matschig. Die Pferde rutschen und schlittern im Matsch. Ich habe Angst, wenn sie hinfallen. Sie könnten sich ein Bein brechen. Deshalb dürfen sie im Winter nur auf die kleine Wiese.

Solange die Pferde kein richtiges Grün sehen können, bleiben sie friedlich. Auf der großen Wiese muss das neue Gras wachsen. Zum Essen für die Pferde. Aber auch für Heu. Denn das futtern die im Winter. Doch wenn die frisches grünes Gras sehen, ist es vorbei. Ich kann erklären, wie ich will. Sie brechen jedes Mal aus. Sie zerstören den schönen Holzzaun. Und dann mampfen sie das verbotene Gras.

Ich denke jetzt an den Sommer. Ich sehe schon jetzt, das blaue Wasser im Schwimmbad. Ich betrachte das grüne Wasser des Teiches. Auf dem Hof stehen in großen und kleinen Blumenkübeln leuchtend bunte Blumen. Ich freue mich riesig auf den Sommer. Denn dann ist es hier auf dem Hof am schönsten. Alles ist grün und voll mir bunten Blumen. Leuchtend rote, gelbe, blaue und weiße Blüten, das sieht so wunderschön aus. Das finden auch die Schmetterlinge. Denn davon kommen jeden Tag ganz viele.

Ich liebe es, nachmittags schön bequem im Liegestuhl zu faulenzen. Ich liebe es, die Schwalben beim Fliegen fangen zu beobachten. Diese kleinen Flugkünstler sind allerliebst. Sie drehen hoch oben am Himmel ihre Runden. Manchmal sieht man sie hinter Wolken verschwinden. Doch dann sausen sie im Steilflug auf den Boden zu. Unsere Schwalben haben Vertrauen zu mir. Darüber bin ich glücklich.

Unser Natur-Schwimmteich ist nämlich auch das riesige Trinkbecken. Alle Schwalben aus dem Ort kommen zu uns. Selbst wenn wir Menschen im Pool sind, fliegen ohne Scheu kurz über die Oberfläche. Dann verharren sie eine Sekunde oder zwei und nehmen ein Tröpfchen Wasser auf. Erst nachdem alle Schwalben getrunken haben, verabschieden sie sich für die nächsten Stunden.

In den frühen Abendstunden drehe ich meine sogenannte Futterrunde. Vorher habe ich für alle Tiere das Futter gemischt, geschnitten, eingeweicht oder gerührt. Es gibt Äpfel, Möhren, Bananen, Körner und manchmal auch ein bisschen Brot.

Jedes Tier, egal ob Huhn, Pferd, Esel, Pfau, Ente, Pute oder Meerschweinchen erhält sein artgerechtes Futter. Alle Tiere lieben ihr Futter, doch die Esel stehen auch auf die Körner für die Hühner.

Im letzten Sommer ist das jeden Tag passiert. Die Esel sehen mich mit vielen Eimern. Sie wissen, was in den Eimern ist. Sie stehen am Zaun und beobachten jeden Gang, den ich tue. Sie kennen jeden Schritt, den ich gehe. Sie wissen genau, wann ich mit der Futterrunde fertig bin.

Und dann fängt der Spaß an. Michel, der braune Esel, kommt angesaust.

«Huch, huch, ja, ja, na jetzt, mach schon, komm her.» Nix mit iiiiiaaah oder so. Und dann kommt Merlin, der graue Esel.

«Her mit den Körnern, schnell jetzt, iiiiiiiiiiiiiiiiiiaaaaaaaaaaaaaahhhhhhhhhh. Ja, ich brauche Körner. Viele Körner.

Und natürlich kriegen die ihre Körner. Ich lasse immer ein paar Körner im Eimer. Die dürfen die Esel aufessen.

Das war jeden Tag im letzten Sommer so. Ich glaube, das kommt auch dieses Jahr wieder.

Doch noch ist Winter. Draußen ist es schon dunkel. In Gedanken bin ich immer noch bei den schönen Sommertagen. Die Sommerabende, an denen ich noch einmal kurz die Tiere besuche, sind für mich immer sehr erfreulich. Ich achte auf die vollen Kröpfe der Hühner. Ich höre das mahlende Kauen von Pferden und Eseln. Ich freue mich, dass ich mit diesen Tieren in dieser malerischen Umgebung leben darf.

Nach getaner Arbeit hocke ich mich sehr gern an den Rand des Teiches. Dann lasse ich meine Füße im angenehm warmen Wasser baumeln. Oft verharre ich auch ziemlich bewegungslos, um den Libellen, die im Schilf kleben, zuzusehen.

Die Käfer, die über das Wasser laufen, die Wasserläufer, sind immer in Bewegung. Die stören sich auch nicht an meine Füße. Ich erinnere mich noch sehr gut an einen Sommerabend des letzten Jahres. Ich hatte es mir gerade auf dem Holzstuhl mit einem dicken Kissen bequem gemacht. Da hörte ich sie, die Grillen. Ein wunderschönes Konzert, nur für mich. Na ja, jedenfalls so lange, bis ein Nachbar ziemlich laut rief.

Jetzt habe ich lange genug vom Sommer geträumt. Also denke ich nun an den Herbst.

Der Herbst ist nicht so wirklich schön. Jedenfalls für mich. Mal kommt er mit Sonnenschein. Dann wieder mit kaltem Regen. Die Herbststürme, die über uns hinweg toben und rasen, mag ich gar nicht. Da muss ich tatsächlich immer einen Blick auf das Dach werfen. Herr Sturm hat zu oft das Dach abgedeckt. Die Ziegel haben zum Glück noch nie ein Tier getroffen oder verletzt.

Das Schöne am Herbst sind die Farben. Dieses prächtige Farbenspektakel überwältigt mich jedes Jahr aufs Neue. Doch am allerschönsten war der Herbst in Kanada. Diesen Indian Summer werde ich nie vergessen. Etwas Schöneres habe ich nie wieder erlebt.

Nicht nur die Natur wechselt ihr Kleid. Auch die Tiere bereiten sich auf den kommenden Winter vor. Die Hühner mausern. Sie verlieren ihre Federn, die das ganze Jahr als Schutz gedient haben. In dieser Zeit sehen sie schon etwas seltsam aus. Sie sind überdeckt und übersät von stacheligen Federkielen. Sie sehen aus wie kleine Igel. Die Federkiele springen später auf. Sie sind für ein ganzes Jahr das Kleid für die Hühnchen.

Pferde und Esel wechseln auch das Fell. Bei den Pferden wächst die Unterwolle und auch das normale kurze Haarkleid wird viel dichter. Die Esel haben keine Unterwolle, dafür wächst bei ihnen das Fell dichter und länger. Es ist Schutz gegen die kommende Kälte.

Die Ahornbäume am Teich sind im Herbst feuerrot. Andere Büsche knallgelb. Das Schilf und die Gräser beeindrucken mich mit ihren Wedeln. Jedes Jahr bin ich kurz davor, diese Wedel und bunten Gräser abzuschneiden. Aber auch jedes Jahr sage ich mir, lass sie leben, sie erfüllen noch eine Aufgabe.

Wenn dann die Bäume und Sträucher endgültig ihr Laub verlieren, mache ich mich auf den Weg. Ich nehme den großen Laubrechen immer mit. Denn alle Bäume werfen nach und nach ihre Blätter ab. Viele Menschen ärgern sich darüber. Sie wollen immer alles ordentlich haben. Ich nicht.

Denn es ist für alle Tier wichtig, im Winter nicht zu frieren. Es gibt viele Wildtiere, die im Laubhaufen überwintern. Deshalb errichte ich viele Laubhaufen an geschützten Stellen. Insekten und Igel brauchen ihren Platz zum Überwintern. Die Insektenhotels, die wir schon vor vielen Jahren gebaut haben, müssen vor dem Winter auch immer kontrolliert werden. Ich sehe die Löcher, die die Käfer in die Borken gebohrt haben. Ich fühle, dass einige Fluginsekten ihre Eier auf die Strohhalme abgelegt haben.

Ich schaue nach draußen. Es ist immer noch Winter. Ich staune darüber, wie die Zeit vergangen ist. Ich muss ein paar Holzscheite nachlegen, damit das Feuer im Kamin wieder knistert, prasselt und hell lodert. Mir fällt auf, in Gedanken habe ich alle vier Jahreszeiten erlebt. Ich muss gestehen, alle Jahreszeiten haben ihren ganz eigenen Zauber.

Manchmal tun uns solche Gedanken richtig gut. Es tut auch gut, sich ab und zu an wirklich schöne Sachen zu erinnern. Die Vergangenheit ist oft wehmütig. Doch gerade bei den Jahreszeiten ist es so, dass jede einzelne von ihnen richtig gute und schöne Reize hat. Wenn ich es genau überlege, möchte ich diesen ewigen Kreislauf noch sehr lange erleben. Wird es mir im Herbst/Winter zu trübsinnig, so träume ich mich in meine Lieblingsjahreszeiten hinein. 

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