Die Taten der Herkuline - Teil 4 Vorlesen

28. Jan 2022Petra Wodtke
Weißes Pferd, Bild von Atlantios auf Pixabay

4. Das Gespräch

Ich erzähle Lisa von dem Einhorn.
Dass es gesagt hat, wie gerne die Pferde auf die Weide wollen.
Dass ich den König fragen soll.
Dass es aber keine Aufgabe ist, sondern eine Bitte.
Dass das Einhorn Lisas Namen kannte.

Lisa hört ruhig zu.
Sie stützt das Kinn in ihre schwere Hand.
„Du musst den König darum bitten“, sagt sie.
„Der König muss die Pferde auf die Weide lassen.
Sie sollen in der Sonne laufen.
So etwas tun Pferde.
Es ist traurig, wenn sie das nicht dürfen.“

„Wie soll ich den König um etwas bitten?“ frage ich.
„Er gibt mir Aufgaben, nicht ich ihm.“
„Das müssen wir ändern“, sagt Lisa.
Sie ist sehr entschlossen.
Das gibt mir Kraft.
Sie sagt: „Du musst selbst-bewusster sein.
Sage dem König: das geht so nicht!“
Ich stehe auf und rufe:
„Ja! Das mache ich!“

Ich gehe zum König und sage:
„Ich habe die Ställe ausgemistet.“
Der König ist gleichzeitig wütend und erfreut.
Er sagt: „Was?
An nur einem Tag?
Wie hast du das geschafft?“
„Ich habe Superkräfte!“, sage ich und halte meinen starken Arm vor seine Nase.

Sein Gesicht wird wieder ganz rot.
Als ich ihm die Vogel-Feder gebracht habe war es auch so rot.
„Pah!“, ruft er.
„Du hattest nur Glück!“
Aber ich bin nun mutig.
Ich schaue ihm fest in die Augen.
„Nein“, sage ich:
„Ich habe hart gearbeitet.
Die Ställe waren sehr schmutzig.
Deinen Pferden geht es nicht gut.
Sie stehen im Dreck und dürfen nie raus.
Sie wollen saubere Ställe.
Und sie wollen auf die Weide.
Sie wollen in der Sonne laufen und Gras fressen.“

Der König ist sehr verdutzt.
Seine Augen werden groß und sein Mund steht offen.
Wie bei mir, als das Einhorn mit mir gesprochen hat.
Dann schüttelt der König sich.
Die Verwunderung fällt von ihm ab.
Jetzt wird sein Gesicht noch röter als vorher.
Gleich platzt sein Kopf, denke ich.
Ich kichere heimlich in mich hinein.
Ich lasse mir nichts anmerken.
Nach außen bin ich sehr entschlossen.
Der König stampft mit den Füßen auf den Boden.
Dabei sieht er aus wie ein kleiner Mann.
Ein kleiner Mann mit rotem Kopf.
Jetzt habe ich gar nicht mehr soviel Angst vor ihm.
Ich finde ihn eher lustig.
Er tut mir auch ein bisschen leid.

„Du musst die Pferde besser behandeln.
Und auf die Wiese lassen.“, sage ich.
Der König atmet ganz schwer.
Langsam beruhigt er sich.
Seine Augen gehen von links nach rechts.
Er überlegt.
Dann sagt er: „Das geht nicht.
Ich kann die Pferde nicht aus dem Stall lassen.
Ich habe keine Koppel.“

Davon habe ich noch nie gehört.
„Was ist eine Koppel?“, frage ich.
„Eine Koppel ist eine Wiese mit einem Zaun.
Damit die Pferde nicht weglaufen.“
„Warum hast du keine Koppel?“, frage ich.

Der König überlegt wieder.
Dann lächelt er plötzlich.
Das sieht aber nicht freundlich aus.
Der König setzt sich wieder auf seinen Thorn.
Er lächelt auf mich von oben herab.
„Bau mir eine Koppel“, sagt er.
„Ich?“, frage ich.
„Ja. Das ist deine nächste Aufgabe.
Baue eine Koppel für meine Pferde“, sagt der König.

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